Gespräch mit Dr. Bernd Wagner - EXIT-Deutschland
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Wir sprachen mit dem Gründer von EXIT-Deutschland und Geschäftsführer des Zentrums Demokratische Kultur (ZDK) zu den aktuell zeitprägenden Debatten zum Rechtsradikalismus, der Staatlichkeit in Bezug auf die Ereignisse in Köln und anderswo
Beobachten Sie in der rechten Szene (Kontakte, soziale Medien) eine Veränderung seit den Vorfällen am Silvesterabend in Köln und anderen Städten?
Dr. Bernd Wagner: Die rechtsradikale und völkische Szene reagiert, so verschieden die Parteien, Gruppen, Netzwerke und Bewegungen auch sind, mit grenzenloser Wut. Sie sind sich darüber einig, dass jetzt vor aller Welt klar geworden sei, dass es jetzt darauf ankomme den ‚Widerstand‘ gegen die Demokratie und die aktuelle Politik zu verstärken. Reale Probleme und kritikwürdige Zustände werden durch Hass aufgefüllt, was ein schlechter Ratgeber ist. Die Neigung Gewalt zu verüben wächst.
Wie weit reicht extremistisches Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft hinein? Falls ja, woran machen Sie dies fest?
Dr. Bernd Wagner: Die Risse gehen durch sehr viele Familien, die einen stemmen sich gegen die rechtsradikale Zumutung, die anderen sehen sich jetzt im Besitz einer neuen – rechtsradikalen – ‚Wahrheit‘, wie in einem Erweckungserlebnis, dritte wollen mit allem nichts zu tun haben und wissen oft nicht wie sie werten oder handeln sollen. Es gibt kein Tagesgespräch, dass nicht auf rechtsradikale Vorstellungen – ob erkannt oder nicht – irgendwie zurückkommt. Dabei geht es oft nicht um altes Nazitum. Etliche haben bisher in einer Hochglanzwelt gelebt und sich eine recht heile Welt vorgestellt. Auf allen Seiten werden immer mehr Scheuklappen angelegt, die Spaltung nimmt zu. Es gilt aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Mit Stigmatisierungen und Beschwörungen, mit Kaschieren und politisch motiviertem Schönreden geht das nicht. Klarer Verstand, klare differierende Analyse und klare Führung aus dem demokratischen Raum heraus sind überall gefragt. Kleinstaaterei, Kreisläufe von Verantwortungslosigkeiten, Mangelverwaltung, amtlich pingelige Tyrannei und anderes Demokratiefremdes müssen zurückgedrängt werden. Eine Trendwende.
Worin liegen die Kernüberlegungen dieses Gedankenguts?
Dr. Bernd Wagner: Die Kernfrage liegt im Menschenbild. Gibt es den Menschen, der überall in Freiheit und Würde als gleichwertig gilt, universelle Menschenrechte und andere staatlich geschützte Rechte besitzt oder gibt es ihn nur als Bestandteil einer biologisch und kulturell gegründeten Staatsnation, eine Art Nationalismus. Dazwischen gibt es Schattierungen. Rechtsradikale sehen die Welt zumeist als Rassisten, sprechen verschiedenen anderen Menschen Gleichwertigkeit und Rechte ab. Sie behaupten pauschal, dass Zugewanderte, Asylbewerber und Flüchtlinge keine Kultur besäßen und sich mit der deutschen Rechtsordnung nicht vertrügen. Recht hätten sie darin zu fordern, wie alle anderen auch, das Rechtstreue und Bleiberecht der Asylanten und Kriegsflüchtlinge zusammenhängen, wenn sie denn die deutsche Rechtsordnung einhalten würden, die sie oft genug selbst aufs Massivste verletzen. Sonderrechte kann es für niemanden geben.
Nützen die Vorfälle rechten Gruppen wie Pegida?
Dr. Bernd Wagner: Die massive Kriminalität von ethnischen Gruppen, gar auch Banden, religiösen, kulturellen Fanatikern und Verhetzten und das gleichzeitige Versagen von Verwaltung, Politik, Polizei und Justiz, schlicht gesagt der Staatlichkeit, nutzen Rechtsradikale zur Begründung ihrer Forderungen und ihres Handelns bis zur Begründung von Gewalt als ‚Widerstand und Notstand‘. Zugleich wird das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeiten der Demokratie schwer erschüttert, ich hoffe nicht irreparabel und das wohl nur, wenn Staatlichkeit für die Interessen und Rechte aller da und darin auch erlebbar überzeugend ist, nicht so wie in Köln und anderswo.
- Das Gespräch wird fortgesetzt -