#NPD-Verbot Medientagebuch: 26. Februar 2016 - NPD - Echte Emanzipation von der NS-Zeit?
Andreas Molau
»In Karlsruhe wird nicht nur die NPD auf der Anklagebank sitzen«, postet Ronny Zastrow bei Facebook. Hier wird die Grundlinie der Partei deutlich. Es gehe nicht um die NPD, sondern um die Frage von Demokratie und Meinungsfreiheit. Es gehe nicht nur darum, die NPD zu verbieten, sondern ein Exempel zu statuieren: »In Karlsruhe wird nämlich nicht nur die NPD auf der Anklagebank sitzen, sondern die Kritik an allem soll den Pranger gestellt werden, was den etablierten Parteien als sakrosankt gilt.« Die staatliche Ordnung wird sicher nicht unbewusst als religiöse Ordnung, bzw. als Diktatur bezeichnet. Nicht zuletzt deshalb auch am Ende ein Zitat von Michael Gorbatschow, es könne keine Demokratie ohne Kritik geben. Natürlich vermeidet es Zastrow, sein Demokratieverständnis und das seiner eigenen Parteikollegen zu thematisieren. Es ist üblich in der rechten, islamkritischen Szene, den Islam für seine Taktik der Taquiyya zu kritisieren. Also die bewusste Täuschung über die Absichten. Ein wichtiger Aspekt wird ja bei diesem Prozess sein: Wie viel NS steckt in der NPD?
Nach eigener Erfahrung ist es jedenfalls so, dass ich eine echte Emanzipation von der NS-Zeit nie feststellen konnte. Zwar ist es in der Regel, bis etwa auf die Schweriner Fraktion, kein direkter Bezug, aber eben auch keine Emanzipation. Dem Nationalsozialismus wird meist wenig reflektiert gehuldigt. Aber er ist Basis einer mentalen Grundbefindlichkeit bei vielen Aktivisten. Er repräsentiert gewissermaßen einen »Tops der guten alten Zeit«, in der Deutschland noch einig und stark war. Verbrechen werden verdrängt oder kleingeredet. In der Zeit, als ich in der Parteizentrale in Köpenick gearbeitet hatte, um den damaligen Parteivorsitzenden Udo Voigt zu »beraten, 2006/2007, schlug ich vor, eine Pressekonferenz zu veranstalten, in der man einmal ganz klipp und klar darlegen möge, dass die NPD sich von den Inhalten des NS klar distanziere. Die Reaktion Voigts: Das sei prinzipiell schon richtig, aber man würde in der Szene einige Menschen vor den Kopf stoßen, die man im Moment noch brauche. Ganz ähnlich äußerte sich Franz Schönhuber im letzten Gespräch, das wir nach einer Österreich-Tour kurz vor seinem Tod führten. Schönhuber machte Voigt klar, dass eine NS-Emanzipation notwendig wäre für eine politische Entwicklung. Ich selbst hatte in unzähligen Reden auf den Gründer des Druffel-Verlages hingewiesen, ein nationaler Szene-Verlag, der eben diese Emanzipation bereits in den 50er Jahren als Voraussetzung für einen modernen Nationalismus ansah.
Für die jetzige Situation heißt das: Weder die diskriminierende Rassepolitik des NS hat die NPD heute überwunden. Noch die Idee eines Führerstaates, in dem es eben keine Meinungsfreiheit gab. Vor diesem Hintergrund muss man eben auch den Verweis Zastrows auf Demokratie sehen. Ansonsten bringt er übliche Argumentationsmuster: Kritik am Parteienstaat. Verweis auf direkte Beteiligung des Volkes, die die NPD fordere. Allerdings ohne den Hinweis, dass man ja von einer Volksgemeinschaft ausgeht, also einem homogenen ethnischen »Volkskörper«, in der es eine Gleichheit, eine wesentliche Voraussetzung, die der vom Zastrow zitierte Hans-Herbert von Arnim ebenfalls fordert, im Wahlrecht nicht geben würde. Denn nach den Vorstellungen der NPD, die fremdstämmige zunächst nur dulden und im Endeffekt ausweisen will, wäre das Wahlrecht nach der Vorstellung dieser Partei herkunftsgebunden.
Ob TTIP oder Krieg im Nahen Osten. Die NPD stellt sich als Anwalt des »kleinen Mannes« dar, den seine Ängste und Nöte ernst nimmt. Die Logik, die sich durch die nächsten Tage ziehen wird: Man wird die Abgehängten ansprechen, die Demokratieverdrossenen, deren Haltung und Kritik nicht mehr stattfindet. Weil sie sich selbst zurückgezogen haben und weil sie in den etablierten Strukturen keine Heimat mehr haben. Und die NPD sagt: Wir sind wie ihr. Vom System isoliert, das uns daran hindern will, die Wahrheit laut zu sagen. Dass diese Wahrheit, bzw. die vom Mainstream abweichenden Meinungen aber von etablierten Medien und auch von Personen durchaus geäußert werden, beweist die NPD selbst, indem sie zum Beispiel auf ihrer Facebookseite Menschen wie Hans-Herbert von Arnim oder Zeitungsartikel zitiert, die tatsächliche Missstände im Land aufzeigen.