#NPD-Verbot Medientagebuch: 29.Februar.2016 - Anreise, oder warum ein Verbot keine Antwort ist
Stefan Rochow
Es ist eine Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensbiografie. Ich sitze in einem Zug und fahre Richtung Karlsruhe. Nicht dass ich in den letzten Jahren nicht auch schon ab und an mal in Karlsruhe gewesen wäre. Der Besuch der Stadt ist also wirklich kein biografischer Rückschritt. Der Grund meines Besuches ist es, der mich zurückdenken lässt. Ab morgen wird vor dem Bundesverfassungsgericht über das Verbot der NPD verhandelt werden. Die Argumente der Antragsteller sind schon vor einigen Jahren auf weit über 200 Seiten an den obersten Gerichtshof gegangen. Im Kern möchte der Bundesrat belegen, dass die rechtsextremistische Partei in Teilen unseres Landes eine Atmosphäre der Angst schürt und damit das demokratische Leben stört. Das Bundesverfassungsgericht, das in Deutschland das einzige Organ ist, dass ein so scharfes Schwert wie ein Parteiverbot aussprechen kann, möchte sich nun in einem Anhörungsverfahren ein Bild darüber machen, wie stichhaltig die Argumentation der Antragsteller juristisch zu bewerten ist.
Es wird ein juristisches Hauen und Stechen geben, so viel scheint schon jetzt klar zu sein. Bisher hat sich die NPD als „Streitgegenstand“ noch nicht auf eine Stellungnahme eingelassen. Das soll nun in den kommenden drei Tagen passieren. Rechtsanwalt Peter Richter, der als Verteidiger die NPD im Verfahren vertritt, hat schon im Vorfeld angekündigt, dass man so manchen „Knaller“ in der Hinterhand habe. Ob er zündet oder eher ein Rohrkrepierer sein wird, das werden die kommenden Tage zeigen.
Die NPD ist nur noch Zaungast
Vor gut 13 Jahren hatte ich mich schon einmal auf den Weg nach Karlsruhe gemacht. Auch damals ging es um das Verbot der NPD. Ich war aber zu diesem Zeitpunkt nicht Beobachter, sondern mitten in der juristischen Auseinandersetzung involviert. Als Mitglied des NPD-Parteivorstandes war ich damals „Mitantragsgegner“ von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, die als imponierendes Polittrio der NPD das Licht ausknipsen wollten. Als Bundesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) gehörte die Organisation, der ich 2003 vorstand, zu den Teilorganisationen, die ebenfalls aus der politischen Landschaft ausradiert werden sollten. Wenn man mich damals gefragt hätte, ob ich an ein Weiterbestehen der NPD glauben würde, dann hätte ich sicherlich Durchhalteparolen ausgegeben. Intern, da konnte man sich nach außen noch so optimistisch geben, rechneten wir mit einem Verbot unserer Partei. Das uns die Antragsteller dann doch noch ein so großes Geschenk machen würde und sich Teile der Zitatensammlung, die ein Verbot untermauern sollten, aus Quellen stammte, die als V-Leute für verschiedene Verfassungsschutzämter tätig waren, damit rechneten wir nicht. Umso größer damals die Freude, als das Bundesverfassungsgericht die Verfahrenshindernisse für so hoch und unüberwindbar einschätzte, dass es die Einstellung des Verbotsverfahrens verfügte.
Der Aufschwung der NPD, begann nach dem gescheiterten Verbotsverfahren. 2004 der Einzug in den Sächsischen Landtag und 2006 dann auch in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Totgesagte leben länger, das traf damals sehr gut auf die NPD zu. Eine gute Parallele zu den kommenden drei Tagen.
Auch heute scheint die nationalistische Partei auf dem absteigenden Ast zu sein. Obwohl es im Zuge der Flüchtlingssituation in Deutschland eine politisch radikalisierte Mitte gibt, blieb es der NPD bisher verwehrt, bei dieser Wählerschaft andocken zu können. Vielmehr muss sie tatenlos mit ansehen, dass es die Alternative für Deutschland (AfD) ist, die jene politisch enttäuschten und wütenden Bürger abgreift und scheinbar leichtfüßig von Umfragehoch zu Umfragehoch spaziert. Die AfD ist für diese Menschen deshalb wählbar, weil sie in ihren Augen jenen Konservativismus verkörpert, der bisher in der Union seine politische Heimat hatte. Das heißt nicht, dass die AfD nicht noch tiefer in ein rechtsextremistisches Milieu eindringen kann. Die NPD bleibt aber das politische Schmuddelkind. Zu sehr ist die Partei in einem Sumpf zu Hause, der allgemein als unappetitlich angesehen wird. In ihrem Umfeld agieren Kriminelle, Hooligans, Gewalttäter, politische Sektierer und Wirrköpfe, eine Mischung, die den radikalisierten Wutbürger abschreckt. In diesen Sumpf möchte er nicht hineingezogen werden. Die NPD ist daher im Radikalisierungsprozess der politischen Mitte nur noch Zaungast.
Willen und Können stehen nicht im Einklang
Ich reise mit gemischten Gefühlen nach Karlsruhe. Wenn man mir noch vor wenigen Monaten gesagt hätte, dass ich auch im zweiten Verbotsverfahren nahe an der Verhandlung dran sein würde, ich hätte es für schlicht unmöglich gehalten. Die NPD erschien mir in den letzten Jahren immer wieder als ein Geist aus meiner Vergangenheit, den ich eigentlich eher loswerden wollte. Dass das in einer Gesellschaft, die sich schwer tut Menschen mit Brüchen in ihren Lebensbiografien einen Neuanfang zu ermöglichen, nicht einfach ist, das ist eine Erfahrung der letzten Jahre. Nun bin ich aber plötzlich irgendwie wieder mitten drin. Ich bin zwar nicht mehr Mitbeteiligter im Verfahren, sondern nur noch Beobachter, trotzdem wird es ein Ausflug in meine Vergangenheit, der mir nicht ganz so leicht von der Hand gehen wird. Ich empfinde aber gleichzeitig auch Neugier auf das was passieren wird.
Immer wieder wurde ich in den letzten Jahren gefragt, wie ich zum Verbot der NPD stehen würde. Meine Antwort war immer eindeutig: Ich fürchte, dass ein Verbotsverfahren mehr Schaden als Nutzen bringen kann. Das sage ich nicht aus Sympathie zu einer Partei, mit der mich heute politisch nichts mehr verbindet, sondern aus einer radikal-demokratischen Haltung heraus. Ich stelle auch nicht in Abrede, dass es Bereiche, gerade auch in meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern, gibt, in denen nationalistische Grundpositionen den Ton angeben. Das ist in jedem Fall eine Entwicklung, vor der man nicht die Augen verschließen kann. Solche Zonen konnten aber nur deshalb entstehen, weil sich demokratische Kräfte aus der Fläche zurückgezogen haben. Kein Anhänger rechtsextremistischer Ideologien verabschiedet sich aber nach einem Verbot der NPD. Auch wird man nie die Ideen dieser Menschen verbieten können. Darum scheint es auch gar nicht zu gehen. Immer wieder hört man vordergründig, dass es ein Unding sei, das eine antidemokratische Partei aus Steuermitteln finanziert wird. Man möchte der NPD also den Geldhahn zudrehen und sich möglichst wenig mit der dahinterstehenden Ideologie auseinandersetzen müssen. Ginge es um die politische Auseinandersetzung, dann müsste man eigentlich ziemlich schnell feststellen, wie zweischneidig ein Verbot wäre.
Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, darf man nicht nur die Absicht einer Partei in den Blick nehmen, die Demokratie beseitigen zu wollen, sondern muss auch die Erfolgsaussichten beleuchten. Ich würde mir daher eine größere Diskussion über das wirkliche Potential der NPD wünschen. Wenn sich der Bundesgerichtshof nun ausschließlich mit den Zielen der Partei auseinandersetzen würde, wäre ein Verbot sinnlos. Wille und Können, müssen Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung sein. Sprechen wir der NPD nicht eine Macht zu, die sie nicht hat!
Brennende Flüchtlingsheime, Angriffe auf Flüchtlinge und Krawalle vor Asylunterkünften würden nicht aufhören, weil die NPD verboten ist. Symbolische Verbotspolitik mag manchen Verantwortlichen beruhigen. Eine Antwort auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist es nicht.